Bekämpfung der unbewussten Wirkmechanismen von Desinformation
Desinformationskampagnen benötigen für ihre Verbreitung nicht nur technische Möglichkeiten. Widerhall finden sie nur, wenn ihre Inhalte und Darstellungsweisen an die Bedürfnisse und Gefühle des Publikums anknüpfen. Narrative im Bereich Rassismus und Antisemitismus greifen beispielsweise diffuse Ängste auf und sprechen die Gefühle der Menschen direkt an. Sie liefern Erklärungen für scheinbare Ursachen und angeblich Schuldige. Solche Thesen, die faktisch schnell wiederlegt werden könnten, werden von Betroffenen als willkommene Vereinfachung aufgenommen und abgespeichert. Das ist ein Grund dafür, warum sich Desinformation trotz vorhandener sachlicher Gegenargumente bei Betroffenen selten entkräften lässt.
Ziel des Projekts „Innovative Kommunikationsstrategien zur Intervention und Prävention bei Desinformationskampagnen“ (IKIP) ist es, für dieses Problem die passenden Antworten zu finden. Das Projektteam erforscht die Erzählmuster und Stilmittel von (Angst-)Narrativen im Zusammenhang mit psychischen Fragestellungen und Persönlichkeitsmerkmalen, die für Desinformation anfällig machen. Auf dieser Grundlage entwickeln die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler Trainings, Workshops, Bildungskonzepte und Kommunikationsstrategien, die der Empfänglichkeit für Desinformation entgegenwirken. Zentral ist hier das Konzept der Ambiguitätstoleranz. Es bezeichnet die Fähigkeit, Widersprüchlichkeit, Mehrdeutigkeit und Unsicherheit zu ertragen. Gerade in Krisensituationen neigen Menschen zu einfachen Antworten und schablonenhaftem Schwarz-Weiß-Denken, das durch (Angst)-Narrative und Verschwörungserzählungen bedient wird. Die Entwicklung der Präventions- und Interventionsmaßnahmen beruht auf Fragebogen- und Interviewstudien zu den psychischen Faktoren, die für Desinformation anfällig machen. Sie werden mit der qualitativen und quantitativen Analyse der (Angst-)Narrative verknüpft. Hierzu arbeiten Vertreterinnen und Vertreter der Fachgebiete Journalistik, Medienpsychologie, Kommunikationswissenschaft, Psychologie und Sozialpsychologie interdisziplinär zusammen.
Die Funktionen der in Desinformation enthaltenen Narrative müssen in ihrer Wirkungsweise bewusstgemacht werden, um sie zu entzaubern. Eine durch das Projekt stabilisierte Toleranz gegenüber Mehrdeutigkeiten kann helfen, einfachen Antworten und Polarisierungen zu widerstehen. Das Projekt ist für unterschiedliche Zielgruppen ausgelegt, die Informationen weitergeben oder rezipieren. Die entwickelten Trainings sollen zum Beispiel in Hochschulen, Schulen, im Journalismus oder auch bei pädagogischen Fortbildungen Anwendung finden. Langfristig sollen so möglichst viele Personen erreicht und für Desinformationskampagnen sensibilisiert werden. Das Projekt liefert somit einen wichtigen Beitrag zum Kampf gegen Desinformation und zur Festigung der Demokratie in Deutschland.