Vom 22. bis 24. Februar 2023 fand sich ein Großteil der deutschen Fachcommunity der Quantenkommunikation im Physikzentrum Bad Honnef (PBH) ein.
Das aus dem 19. Jahrhundert stammende Stiftsgebäude des Physikzentrums bot einen ehrwürdigen und mit dem angeschlossenen Tagungszentrum zugleich modernen Rahmen für die Veranstaltung. Um den Austausch anzuregen, hatten das Verbundprojekt QR.X und das Schirmprojekt SQuAD des deutschen Innovationshubs für Quantenkommunikation zu einer gemeinsamen Konferenz eingeladen. An der Konferenz nahmen rund 80 Personen vor Ort teil; zusätzlich schalteten sich in der Spitze über 30 Personen zu der Liveübertragung dazu.
Nach einer kurzen Begrüßung berichtete Prof. Dr. Christoph Becher zuerst aus dem Verbundprojekt „Quantenrepeater.Link (QR.X)“. Ziel des Vorhabens ist die Demonstration von grundlegenden Elementen und Funktionen von Quantenrepeatern und deren Einsatz unter realen Bedingungen. In QR.X werden in drei Technologiesträngen neue und innovative Ansätze erforscht: (1) auf Basis von gefangenen Atomen und Ionen, (2) mittels Quantensystemen in Diamanten sowie (3) in Halbeiternanostrukturen, die in der Entwicklung von Komponenten für Quantenrepeater münden. Die Forschungsteams konnten nachweisen, dass ein asynchrones Schema zur Verschränkungsverteilung die vorhergesagten geringeren Verluste bei der Quantenschlüsselverteilung bestätigt und dass die Erhöhung der Kohärenzzeit prinzipiell die Quantenkommunikation über größere Entfernungen ermöglicht. „Der nächste Schritt lautet: Wir müssen die Labore verlassen. Es gilt nun, in Faserteststrecken die Anwendung aktiv zu prüfen, um die Vorteile des Quantenrepeaters praktisch zu demonstrieren. Wir werden mit Multiplexing versuchen, die Datenrate weiter zu erhöhen“, fasste Prof. Becher den aktuellen Stand von QR.X zusammen.
Im Anschluss präsentierte Dr. Thorsten Goebel die vier Anwendungsgebiete der Forschungsinitiative QuNET. Als eine vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderte Initiative schafft QuNET die Grundlage für sichere und robuste IT-Netze auf Basis von Quantenkommunikation. Bis zum Jahr 2026 soll der Anteil von Forschenden schrittweise zugunsten beteiligter Industriepartner reduziert werden, um einen möglichst reibungslosen und schnellen Wissenstransfer in die Wirtschaft zu ermöglichen. Ein wichtiges Schlüsselexperiment steht für Juni 2023 auf der Tagesordnung. Hier soll ein Quantenschlüsselaustausch auf einer Punkt-zu-Punkt-Verbindung in Jena demonstriert werden − sowohl per Freistrahl als auch per Glasfaser.
Video zur Forschungsinitiative QuNET für eine abhörsichere Quantenkommunikation
Deutschland bündelt seit Ende 2022 seine Kompetenzen im Innovationshub für Quantenkommunikation. Dieser Hub wird vom „Schirmprojekt Quantenkommunikation Deutschland“ (SQuaD) koordiniert. „Ziel des Schirmprojektes ist es, eine zentrale Anlaufstelle für Expertise und Infrastruktur zur Quantenkommunikation in Deutschland zu etablieren“, erklärt Dr. Nicolas Spethmann die Aufgabenstellung von SQuaD. Dazu werden Akteure aus Forschung und Industrie, und Projekte wie QuNET, QR.X und DivQSec, zusammengeführt und bestehende Forschungsaufbauten der Partner zu öffentlich nutzbaren Prüfstrecken für Quantenkommunikationstechnologie erweitert. Die Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB) und das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) bringen darüber hinaus zentrale Aspekte aus der Metrologie und Cybersicherheit in den Hub ein.
SQuaD bringt durch Aktivitäten wie die deutschlandweite Koordination, Sicherstellung von Technologie- und Wissenstransfer, Nutzung von Forschungsinfrastrukturen, Monitoring, Roadmapping und Zukunftsplanung die Akteure der Quantenkommunikation im Innovationshub und darüber hinaus zusammen.
Im Anschluss stellten sich mehrere industriegeführten Projekte des Innovationshubs vor. Als Verbundkoordinator von DE-QOR informierte Dr. Tobias Fehenberger (ADVA Optical Networking) über die Forschungsschwerpunkte des Vorhabens. Ziel des Projekts „Entwicklung hochperformanter Übertragungskomponenten für quantensichere Kommunikation über Glasfaserleitungen in Metro- und Weitverkehrsnetzen“ (DE-QOR) ist die Weiterentwicklung bestehender QKD-Ansätze basierend auf kohärenter optischer Übertragungstechnik (Continuous Variable QKD, CV-QKD). „Nicht nur aus industrieller Sicht wäre es von Vorteil, wenn es gelingt, bereits bestehende Infrastruktur bzw. Kommunikationsnetze für die Quantenkommunikation zu verwenden“, beschrieb Dr. Fehenberger die wichtigste Aufgabe des Projekts. Nachgelagert sollen zentrale Komponenten auf Sender- und Empfängerseite entwickelt und zu kompakten Systemen integriert werden. Hierzu zählen sowohl optische Module als auch die dazugehörige Elektronik, deren Firmware durch Fernwartung stetig aktualisierbar und optimierbar sein soll. „Hier steht das Projekt noch vor großen Herausforderungen und es gibt noch zu überwindende Diskrepanzen zwischen dem theoretischen Model und den aktuell eingesetzten Modulen“, fasste Dr. Fehenberger den aktuellen Stand im Vorhaben zusammen.
Als Verbundkoordinator von DemoQuanDT referierte Dr. Felix Wissel von der Deutschen Telekom AG. Das Projekt kann als deutscher Beitrag für ein europaweites Glasfasernetz für Quantenkommunikation gesehen werden. Kennzeichnend für das Vorhaben ist, dass weniger Forschung an sich betrieben wird, sondern stärker Testungen auf bestehenden Glasfasernetzen durchgeführt werden.
„Wir beschäftigen uns mit der Frage, was für einen semiautomatischen Betrieb eines solchen Systems erforderlich ist“, beschrieb Dr. Felix Wissel die Hauptaufgabe des Projekts. Gegen Ende des Jahres 2023 soll das Projekt die Laborumgebung verlassen und die Installation von Demonstratoren auf einer Teststrecke zwischen Bonn und Berlin soll beginnen. Dass der dabei ausgewählte Streckenverlauf bereits im 19. Jahrhundert als optische Signalstrecke erfolgreich verwendet wurde, führte zu einem Schmunzeln im Sitzungssaal.
Das Industrievorhaben Quant-ID hat zum Ziel, Ende-zu-Ende-Lösungen für zuverlässige digitale Identitäten mittels Post-Quanten-Kryptografie zu erforschen. Dabei soll die weit verbreitete „Identity Access Management“-Architektur genutzt werden, die in heutigen Netzen den Zugriff auf bestimmte vordefinierte Daten bestimmt. So soll der Übergang von klassischen Verschlüsselungsalgorithmen zu quantensicheren Verfahren erleichtert werden. Außerdem soll ein quantensicherer „Single-Sign-On“-Ansatz entwickelt werden, der den Zugriff auf verschiedene Dienste mit einer einzigen zentralen Anmeldung ermöglicht.
Die Entwicklung eines auf Linux basierenden Quantenzufallsgenerators, der die zur Verschlüsselung nötigen Zufallszahlen mit hoher Güte liefert, ist eine weitere Aufgabenstellung. Somit haben die Projektergebnisse eine hohe Bedeutung insbesondere für Wirtschaftszweige wie Online-Handel oder Finanzen.
Eine immer größere Zahl von Geräten verfügt über einen Internetzugang, wodurch diese sich mit- und untereinander austauschen. Dieses „Internet der Dinge“ und der damit einhergehende zunehmende Austausch von Daten stellt immer höhere Anforderungen an die Sicherheit der Kommunikationsnetzwerke. Das Verbundprojekt „Quantum Internet of Things (QUIET)“ hat das Ziel, ein hybrides quanten-konventionelles Kommunikationsnetzwerk zu entwickeln. Im Zusammenspiel von verteilten Quantenzuständen und konventioneller Übertragung sollen (Quanten)-Sensoren vernetzt werden. So soll die Leistungsfähigkeit und Sicherheit des Netzwerks deutlich gesteigert werden. Dabei werden alle Ebenen des Netzwerks, von der physikalischen Schicht bin hin zu Netzwerkprotokollen, betrachtet.
Der zweite Konferenztag knüpfte mit der Vorstellung weiterer industriegeführter Projekte nahtlos an das Ende des Vortags an: Dr. Riccardo Bassoli berichtete aus dem Projekt 6G-QuaS und Dr. Kevin Füchsel von Quantum Optics Jena aus Q-Fiber. Das Verbundprojekt „6G-Quantum Security (6G-QuaS)“ hat das Ziel, ein hybrides quanten-konventionelles kabelgebundenes Industrienetzwerk zu entwickeln. Hierbei soll die Quanteninformation kontinuierlich in der Phase und Amplitude des Lichts und nicht, wie in der aktuellen Forschung üblich, diskret in dessen Polarisation gespeichert werden. Ziel des Vorhabens „Produktives Vier-Parteien QKD-Testbed zur Entwicklung eines gebündelten Quanten- und Kommunikationskanals mittels innovativer Hohlkernfasern (Q-Fiber)“ ist es, Quantenkommunikation in einem Netzwerk mit mehreren Kommunikationsteilnehmern, beispielhaft im Medizinsektor, zu demonstrieren. Zwischen den Netzwerkteilnehmern sollen Gesundheitsdaten mittels verschränkter Lichtquanten verschlüsselt ausgetauscht werden.
Hauptthema des sich anschließenden Berichtspunkts waren die Perspektiven von Zertifizierung und Standardisierung von QKD-Systemen. Zunächst erläuterte Dr. Dirk Fischer (BSI) die Grundlagen einer Zertifizierung. Er empfiehlt, schon in einer frühen Phase die Zertifizierungsstellen einzubeziehen, ggf. sogar entwicklungsbegleitend. Generell sind in einem Zertifizierungsverfahren drei Parteien involviert: Entwickler, Prüflabore und Zertifizierungsstellen.
Hiernach zeigte Imran Khan von der KEEQuant GmbH die Entwicklung von QKD-Systemen von den 1960er Jahren bis heute auf und erläuterte die unterschiedlichen Bedarfe von Wissenschaft und Netzwerkbetreibern. Um QKD-Systeme in Hochsicherheitsbereichen einzusetzen, sei eine Zertifizierung in jedem Fall notwendig.
Diesen Blick aus Sicht der Industrie führte Dr. Tobias Fehenberger (ADVA) weiter aus: Wunsch der meisten Unternehmen sei die Schaffung von Protokollen, um eine standardisierte Interoperabilität unterschiedlicher Systeme zu erreichen. Aktuell sei dies noch nicht der Fall. Auch würden die Sicherheitsbeweise aus der Forschung nicht unbedingt mit der Industrierealität zusammenpassen. Eine gewisse Zurückhaltung bei der Investition in solche Systeme sei daher die Folge, da aktuell die Post-Quanten-Kryptografie bis auf Weiteres eine günstigere Lösung darstelle. Dr. Fehenberger erwartet, dass QKD-Systeme und Post-Quanten-Kryptografie in Zukunft zusammen eingesetzt werden.
Anschließend stellte Dr. Tobias Hemmert die Perspektive des BSI vor: Für die Sicherheit und damit für die Zertifizierung sei Standardisierung essenziell. Er rät den Unternehmen und Forschungseinrichtungen, die Expertisen zu bündeln, da die QKD-Community zahlenmäßig vergleichsweise klein sei. Eine Präsentation von Prof. Ömer Bayraktar zu den Perspektiven für Zertifizierung und Standardisierung aus Sicht von QuNET beendete diesen Tagungspunkt.
„Ich fand besonders interessant, wie und mit welchem Blickwinkel die Teilnehmenden aus Wissenschaft und Wirtschaft beispielsweise die weitere Entwicklung der Standardisierung und Zertifizierung der Quantenschlüsselverteilung bewerten. Ich bin überzeugt, dass jede Seite von der anderen Seite heute etwas mitgenommen hat“,
erklärt der verantwortliche Koordinator des Schirmprojekts von SQuaD, Dr. Nicolas Spethman
Prof. Christoph Becher eröffnete mit einer Übersicht der Prüfstrecken (Testbeds) für QKD in Deutschland das nächste Thema. Aktuell gibt es Strecken zwischen Hannover und Braunschweig (78 km), in Saarbrücken (14 km) und in Berlin (26 km). Zwei weitere Prüfstrecken in Paderborn (9 km) und in Berlin (375 Meter Freistrahl bzw. 400 Meter Faser) sind im Bau. Prof. Dr. Harald Weinfurter berichtete über weitere Aktivitäten in Bayern, Sachsen und Thüringen, beispielsweise aus dem Projekt MuQuaNet. Ziel des Projektes ist es, mit der Universität der Bundeswehr in München als Kernpunkt ein quantensicheres Kommunikationsnetz für Forschung und Evaluierung zu entwickeln, aufzubauen und zu betreiben. Über weitere Testbeds aus dem Projekt QuNET informierte Dr. Thorsten Goebel: Dort sind Strecken in Oberpfaffenhofen (Freistrahl 8 km) und zwischen Jena und Erfurt (76 km) im Einsatz sowie weitere zwischen Dresden und Jena in Planung bzw. im Bau.
Dr. Nicolas Spethmann nahm dies zum Anlass, um für SQuaD darüber zu berichten, dass man nicht nur alle existierenden und geplanten Prüf- bzw. Teststrecken erfassen, sondern durch Gespräche mit Industrie und Forschung den tatsächlichen Gesamtbedarf feststellen wolle. Hieraus wolle man den effektiven Bedarf nach Ausbau oder Verbesserung von bestehenden Strecken ableiten. Wie wichtig solche Maßnahmen seitens SQuaD sind, zeigte sich im weiteren Verlauf der Konferenz, da einigen Teilnehmenden das Forschungsnetz zur Erprobung klassischer Telekommunikationsverfahren in ganz Deutschland (auf Basis des vorausgegangenen BMBF-geförderten Projekts SASER) beispielsweise nicht bekannt war.
Der dritte Konferenztag erweiterte den Blick der Teilnehmenden auf aktuelle 6G-Forschungsthemen. Dr. Christian Deppe von der TU München präsentierte die Ziele des Projekts 6G-life. Das Projekt „Digitale Transformation und Souveränität künftiger Kommunikationsnetze (6G-life)“ strebt Spitzenforschung für künftige 6G-Kommunikationsnetze an. Dazu sollen grundlegende Fragen zur Datenübertragung und zu verteilten Rechenressourcen im Netz beantwortet werden: Dies stellt einen alternativen Ansatz gegenüber zentralisierten Rechenzentren dar. Die Ergebnisse des 6G-life-Projektes werden die Industrie und die Start-up-Landschaft in Deutschland durch positive Vorzeigeprojekte stimulieren. Dies gilt insbesondere für die Bereiche Robotik in der Industrie 4.0 sowie Assistenzsysteme in der Medizin und im Gesundheitswesen. Dr. Janis Nötzel und Dr. Riccardo Bassoli rundeten den Bericht aus 6G-life mit zwei Fachvorträgen ab.
Anschließend informierte Dennis Pohle (TU Dresden) über die Entwicklung eines Geräts zum Multiplexing von einfachen Glasfasern zu Mehrkernfasern mit adaptiver Optik im Forschungsvorhaben QUIET. Simon Sekavčnik (TU München) referierte über das Projekt „Quantum Physical Layer Service Integration (QuaPhySI)“. In QuaPhySi wird das Ziel verfolgt, die theoretischen Grundlagen einer hybriden Netzwerkarchitektur zu entwickeln, die erstmals quantenmechanische und klassische Ansätze vereint. Es sollen sichere Übertragungsprotokolle zur resilienten sowie sicheren Kommunikation ermöglicht werden. Im Zusammenspiel von verteilten Quantenzuständen und klassischer Übertragung sollen Datenübertragungsraten deutlich erhöht werden.
„Die gemeinsame Organisation der Konferenz durch QR.X und SQuaD war eine sehr gute Entscheidung. Hierdurch ist uns eine Vernetzung von Grundlagenforschung zu Quantenrepeatern mit weiteren Forschungsprojekten gelungen. Letztlich beabsichtigen alle Anwesenden, die Quantenkommunikation in die Anwendung zu bringen. Und alle müssen die benötigten Schritte von der Standardisierung bis zur Implementierung in der Zukunft abdecken. Uns ist es wichtig, dass sich die Forschenden vernetzen, voneinander lernen und dabei die Potenziale aber auch Herausforderungen der jeweils anderen Projekte verstehen“,
erklärte Prof. Dr. Christoph Becher, Koordinator des Verbundprojekts QR.X.
Zum Ende der zweieinhalbtägigen Konferenz fassten Prof. Becher und Dr. Spethmann zentrale Erkenntnisse der Veranstaltung zusammen. Die angeregte Diskussion zu vorhandenen und geplanten Prüfstrecken von unterschiedlichen Akteuren hat gezeigt, wie wichtig es ist, sich zu laufenden und geplanten Aktivitäten auszutauschen. Dr. Spethmann kündigte an, die aufbereiteten Ergebnisse der Konferenz der Community u.a. auf der SQuaD-Webseite verfügbar zu machen und in die weitere Roadmap von SQuaD einfließen zu lassen. Prof. Becher betonte die positive Erfahrung, dass es gelungen sei, Fachexpertinnen und -experten aus unterschiedlichen Bereichen erfolgreich in Bad Honnef zusammenzubringen.