Bei der jährlichen Tagung der vom BMBF geförderten Plattform Privatheit diskutierten Teilnehmende aus Wissenschaft, Wirtschaft, Politik und Zivilgesellschaft darüber, wie Konzepte eines freiheitsfördernden Umgangs mit Daten aussehen können.
Am 17. und 18. Oktober 2024 stand die Jahreskonferenz der Plattform Privatheit im Zeichen des Datenschutzes und der digitalen Freiheit. Die Veranstaltung brachte rund 150 Teilnehmende aus Wissenschaft, Wirtschaft, Politik und Zivilgesellschaft zusammen, um aktuelle Herausforderungen und Chancen mit Blick auf Datenschutz und Freiheit in digitalen Infrastrukturen zu diskutieren.
In der modernen Welt sind digitale Infrastrukturen von entscheidender Bedeutung für die Ausübung von Freiheit. Sie können Freiheit gewähren, aber auch gefährden. Vor allem die Infrastrukturnetze und -plattformen von großen Tech-Unternehmen wie Google (Alphabet), Apple, Meta, Amazon und Microsoft sind mit ihren Leistungen essenziell für die Ausübung digitaler Freiheit – und gleichzeitig anfällig für Missbrauch. Große Sprachmodelle wie ChatGPT entwickeln sich gerade zu einer weiteren digitalen Infrastruktur. Aber auch die Anbieter „alter“ Infrastrukturen wie Automobilhersteller, Energieversorger, Telekommunikationsanbieter oder Bahnbetreiber bauen digitale Infrastrukturen auf, ohne die ihre Leistungen nicht mehr genutzt werden können. Zudem errichtet auch der Staat neue digitale Infrastrukturen wie Konten für Bürgerinnen und Bürger sowie elektronische Zugänge zur Verwaltung. Alle diese digitalen Infrastrukturen verändern Machtgefüge und Freiheitsspielräume.
Mario Brandenburg, Parlamentarischer Staatssekretär bei der Bundesministerin für Bildung und Forschung leitete die Veranstaltung mit einem Grußwort ein. Er sagte: „Das Grundrecht auf Privatsphäre ist zentral für unsere Freiheit. Ohne Privatheit keine Freiheit – und ohne Freiheit keine Demokratie. Digitale Technologien bieten viele Freiheiten, aber auch viele Möglichkeiten der Kontrolle und Überwachung.“
Dr. Michael Friedewald, Barbara Ferrarese und Prof. Dr. Alexander Roßnagel von der Plattform Privatheit hoben in der Podiumsdiskussion mit Moderator Hendrik Kafsack die Bedeutung des Leitthemas der Konferenz hervor. Prof. Alexander Roßnagel betonte, dass Freiheit in der digitalen Welt stark von funktionierenden Infrastrukturen abhänge, die heute zuvorderst durch Unternehmen wie Alphabet und Meta geprägt würden. Diese Strukturen bestimmten, wie E-Commerce, E-Government und andere digitale Freiheiten verwirklicht werden können. Er hielt fest, dass alle Disziplinen gefordert seien, um digitale Infrastrukturen so zu gestalten, dass sie individuelle Selbstbestimmung und Entfaltung ermöglichten.
An beiden Veranstaltungstagen bereicherten Keynotes die Diskussion, unter anderem von Datenschutzaktivist Max Schrems und Schleswig-Holsteins Datenschutzbeauftragter Dr. Marit Hansen. Beide setzten wichtige Impulse zu den Möglichkeiten und Grenzen datenschutzrechtlicher Regulierung.
Max Schrems, Gründer der Datenschutzorganisation none of your business (noyb), ist international bekannt für seinen erfolgreichen Kampf gegen unrechtmäßige Datentransfers zwischen der Europäischen Union und den USA. Der Anwalt und Datenschutzaktivist erläuterte in seinem Vortrag das Modell „Pay or Okay?“. Dieses gibt Nutzerinnen und Nutzern im Kontext der Onlinewerbung die Wahl zwischen zwei Optionen: Entweder sie bezahlen für werbefreien Zugang und mehr Datenschutz („Pay“) oder sie stimmen der Nutzung ihrer Daten für personalisierte Werbung zu und erhalten dafür kostenlosen Zugang („Okay“). Aus seiner Sicht sei dieses Modell hochproblematisch. Einerseits lasse es Nutzerinnen und Nutzern zwar eine Wahl, nämlich die, entweder personalisierte Werbung zu akzeptieren oder für Werbefreiheit zu zahlen. Andererseits führe das Modell in der Praxis jedoch dazu, dass Nutzerinnen und Nutzer gar keine Wahlmöglichkeit hätten, das Werbetracking ohne Kosten abzulehnen. Die Zustimmung zum Werbetracking erfolge durch dieses Modell deshalb in 99 Prozent aller Fälle. Für die gesamte Online-Werbebranche entstünden hierdurch große Vorteile, während der Datenschutz weitgehend auf der Strecke bliebe.
In verschiedenen Sessions, Workshops und Diskussionsrunden wurden Fragen der digitalen Souveränität, der informationellen Selbstbestimmung und der Verantwortung von digitalen Plattformenbetreibern intensiv beleuchtet. So ging es etwa bei der Diskussion zu „Privacy by Design im Metaverse“ um die Frage, wie Datenschutz künftig direkt in technologische Lösungen im Metaversum integriert werden kann, um auch dort individuelle Freiheiten zu wahren. Auch die Regulierung sozialer Plattformen stand im Fokus, insbesondere im Hinblick auf europäische Gesetzesinitiativen. Darüber hinaus wurde immer wieder die Frage aufgeworfen, welche Aufgaben jede Bürgerin und jeder Bürger zum Schutz seiner Daten im digitalen Raum selbst umsetzen kann und sollte und wo in diesem Bereich staatliche Regulatoren in erster Linie in der Verantwortung stehen.
Neben technischen sowie rechtlichen Aspekten kamen bei der Konferenz auch ethische und gesellschaftspolitische Perspektiven zur Sprache. So diskutierten die Teilnehmenden zum Beispiel über Ansätze, wie man den Einfluss globaler Tech-Unternehmen auf die Demokratie begrenzen kann, ohne Innovationen zu ersticken. Viele Diskussionen drehten sich zudem um die Frage, wie man insbesondere vulnerable Gruppen, also beispielsweise Kinder, Ältere oder Menschen mit eingeschränkten kognitiven Fähigkeiten, sowohl durch technische als auch durch Bildungsmaßnahmen zu einem besseren Schutz ihrer Daten befähigen kann.
Die Konferenz endete mit einer Abschlussdiskussion, in der die Teilnehmenden ihre Erkenntnisse teilten und Strategien für zukünftige Herausforderungen skizzierten. Es wurde betont, dass der Dialog zwischen verschiedenen Disziplinen und Akteuren weiter verstärkt werden müsse, um die richtige Balance von digitaler Innovation und Freiheitsrechten zu finden. Deutlich wurde auch, dass die rechtliche und technische Umsetzung des Themas Datenschutz so gestaltet werden muss, dass die informationelle Selbstbestimmung aller bewahrt bleibt, gleichzeitig aber eine Nutzung von Daten für Innovationen möglich bleiben muss. Gesetzliche Regulierung müsse entsprechend darauf achten, beides zu berücksichtigen.
Die 9. Jahreskonferenz der Plattform Privatheit zeigte einmal mehr, wie wichtig es ist, Datenschutz und digitale Freiheit als zentrale Bestandteile unserer Gesellschaft zu verstehen und mit allen Beteiligten aktiv zu gestalten.